Sonntag, 11. April 2010

Vom Ich-Verlust

Wenn man Menschen und ihre Rolle in der Gesellschaft betrachtet, so liegt erstmal eine ganz grobe Gleiderung nahe: diejenigen, die sich an die Spielregeln halten und deren Entfaltung sich in den vorgegebenen Rahmen passgenau einfügt, und diejenigen, die in der Gesellschaft nicht funktionieren - Verbrecher, Eigenbrötler, Verrückte. Ist man mit Intelligenz und der Fähigkeit, seine Umwelt zu beobachten, ausgestattet, so fängt man an, die oben genannten Kategorien als zwei Pole zu sehen, zwischen denen es zahlreiche Abstufungen gibt. Aber dennoch geht man davon aus, dass es eine Anzahl an Menschen gibt - und meistens nimmt man auch an, dass dazu die Mehrheit unserer Artgenossen gehört - die von sich aus mit den Regeln der Gesellschaft höchstzufrieden ist, die die allgemeinen Ideale so sehr verinnerlicht haben, dass sie es kaum noch glauben können, sie könnten extrinsischen Ursprungs sein.
So.
Was aber meines Erachtens damit gewissermaßen im Widerspruch steht, ist die Tatsache, dass der Ich-Verlust von allen Menschen unserer Gesellschaft als Kriterium des höchsten Glücks, ja, als das höchste erreichbare Glück überhaupt angesehen wird. Freilich, die Wege zum Ich-Verlust sind die unterschiedlichsten, und hängen stark vom Alter, vom Bildungsstand, von der sozialen Schicht oder auch von den individuellen Wesensmerkmalen der Person ab, aber alles, was wir als Möglichkeit, uns wahrlich frei und glücklich zu fühlen, sehen, ist nichts anderes als ein Abschütteln des Gefühls, dass man ein "Ich" besitzt.
Kling verwirrend? Man führe sich nur die Beispiele vor Augen: der Rausch von Alkohol und anderen Drogen, das Auflösen im Wir-Erlebnis von Familie und Freundschaft, das Adrenalin diverser Sportarten, die Fähigkeit guter Musik (wobei jeder seine eigene Definition hat) alles um einen herum vergessen zu lassen, das Gefühl mit der Natur zu verschmelzen. Wir erleben Glück, egal was wir darunter verstehen, indem wir von unserer Persönlichkeit, von unserem Ich loslassen..
Und um zurück zum Anfang meiner Ausführungen zu kommen, ist man wirklich mit sich und der Welt zufrieden, wenn man eigentlich nur dann glücklich ist, wenn man den Kontakt zu sich selbst und/oder zur Welt verliert? Ist es tatsächlich eine funktionierende Gesellschaft, wenn allen, die zu ihrem "Ich" stehen, Glück verwehrt wird? Oder ist dies bloß einer weiterer Beweis dafür, dass wir Menschen Fehlkonstruktionen sind?
Fragen über Fragen.

Donnerstag, 8. April 2010

Seelischer Masochismus

Willkommen bei Xenias neuen Notizen aus der Tierwelt, heute - ein neuer Beitrag in unserer Serie "Seltsame Verhaltensweisen des homo sapiens".

Gibt man einer Ratte Zuckerstückchen, die mit Brechmittel getränkt ist, so wird sie schon sehr bald eine Aversion gegen Zucker in allen seinen mannigfaltigen Formen entwickeln und die Zuckerstückchen schön in Ruhe lassen.

Der Mensch gilt auch als lernfähiges Wesen mit einem guten Gedächtnis und einem Selbsterhaltungstrieb. Wieso gibt es dann immer wieder Individuen, die mehrmals zu denselben Kunstwerken - oft auch in hoher Dosierung - greifen (oder um die Aussage zu konkretisieren: bestimmte Lider hören oder Gedichte lesen), obwohl sie aus Erfahrung ganz genau wissen, dass sie bei ihnen eine Zustand tiefster Trauer oder Verzweiflung auslösen.

Die für mich plausibelste, wenn auch etwas absurde, Erklärung ist, dass es sich hierbei um eine Art "seelischen Masochismus" handelt, eine Art perversen Zufriedenheitsgewinn aus seelischen Qualen, ein Genießen des eigenen Zustands, wenn man sich am liebsten den Brustkorb aufreißen würde, um die dort scheinbar gefesselten Gefühle zu befreien (die vermutlich wegen Überbevölkerung das Gehirn (genauer die Amygdala), wo sie enstanden sind - Gruß aus dem Neuro-Semester - verlassen haben).

So viel zu diesem Phänomen, bis zur nächsten Folge unserer Serie.
[now listening to: Mantus - Diese Welt ist seelenlos]