Donnerstag, 25. Juli 2013

Facetten

"Plötzlich sind sie unangenehm berührt. [...] Denn ein Mensch darf schließlich nicht zeigen, daß er anders ist, als man von ihm annimmt. Sonst ist das Publikum, das jeder Mensch für sein Spiel hat, enttäuscht. Nicht weil das Spiel schlecht ist, sondern weil es ein neues Spiel ist. Ein Mensch, der gerade eben noch an unser Mitleid, an unsere Wehmut oder unsere Angst appeliert hat, darf doch nicht plötzlich auf die gleiche Art, auf die er gerade noch mit unserem Ernst experimentiert hat, mit unserer Freude experimentieren! Zu viel darf ein einzelner Mensch nicht in sich bergen. Sonst werden wir unsicher und die, deren wir unsicher sind, mögen wir nicht. Den Menschen aber, der alles in sich zu bergen scheint, diesen Menschen hassen wir, denn es ist gegen die Spielregeln, alles in sich zu bergen."

aus "Gebranntes Kind" von Stig Dagermann
[und ja, die Geisteswissenschaftler unter den Lesern dürfen mich für die scheußliche Zitierweise steinigen. Aber nur mit kleinen Steinen.]

Mittwoch, 24. Juli 2013

Nimm's mit Humor


Es gibt ja diesen tollen Spruch "Gott, gib mir die Kraft, das zu ändern, was ich ändern kann, die Gelassenheit, das zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann, und die Weisheit dazwischen zu unterscheiden." (oder sinngemäß).

Ich schlage eine Abwandlung dieses Spruchs für Pflegekräfte vor: "Liebes Schicksal/$höhereEntität, gib mir Patienten, die keine Dummheiten bauen, einen kühlen Kopf, um auf Patienten, die doch Dummheiten bauen, in Zaum halten zu können, und Humor, um wenigstens über die Situation lachen zu können, wenn das mit der Schadensbegrenzung nicht klappt."

Ein Patient, der eigentlich nicht alleine zur Toilette laufen sollte, hat es doch getan. Und seine Windelhose im WC versenkt. Und als dann beim Spülen das Wasser nicht ablaufen wollte - richtig: noch 10-20 mal nachgespült. Und mit der Klobürste noch dafür gesorgt, dass alles schön überschwappt.
Ins Zimmer kommen und erstmal knöcheltief in Wasser stehen. Um 3:45 in der Nacht.

Der Patient tat mir auch schon sehr leid, so peinlich, wie ihm die Situation war. Und ich hatte und habe ein schlechtes Gewissen, mich darüber zu amüsieren. Aber irgendwie muss man ja bei Verstand bleiben.

Dienstag, 16. Juli 2013

We Can Do It!

Wer Ketten- oder Maschinenöl-verschmierte Unterarme für unfeminin hält, der/die sollte seine/ihre Vorstellung von Weiblichkeit überdenken.

Verletzlichkeit schön und gut, was aber an Hilflosigkeit gegenüber Technik weiblich, geschweige denn attraktiv/sexy sein soll, bleibt mir schleierhaft.

P.S. Wer der Zusammenhang von Überschrift und Post-Thema versteht, kriegt einen Keks.

Bits, Bytes and (Heart)Beats

Der Begriff "Digitalisierung" amüsiert mich.

Weil ich dabei stets an die Überführung eines Mediums aus analoger in digitale Form denken muss.

Dabei bedeutet der Begriff, wenn ich ihm im Studiums-Kontext begegne, die Einstellung eines Patienten auf ein Digitalis-Präparat.
Digitalis-Wirkstoffe sind das Gift des Fingerhuts (jaja, die Pflanze, vor der euch eure Eltern hoffentlich als Kind gewarnt haben), das aber in geringester Dosierung einen positiven Effekt auf die Pumpkraft des Herzens hat. (Wer wissen will, wie genau, kann sich bei mir melden und ich erkläre das ausführlich und hoffentlich verständlich.)

P.S. Man verzeihe mir den schlechten und erzwungenen Kalauer in der Überschrift.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Sowas wie Hirnforschung

1) Man setzt (in Deutschland bisher nur in ersten Studien, in den USA angeblich schon eine ganze Weile) Parvovirus, konkreter einen Stamm dieses Virus, der eine für Ratten oft tödliche Erkrankung verursacht und ein enger Verwandter des Erregers von Ringelröteln ist, ein, um schwere Hirntumoren (z.B. Glioblastome) zu bekämpfen. Eine OP kann es meist nicht ersetzen, aber unterstützend soll es doch die Überlebensrate erhöhen.
Zum Nachlesen: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22553327
[woher ich das weiß: einen Patienten, der diese Therapie bei einem Glioblastom bekam, als Sitzwache im gestrigen Nachtdienst betreuen dürfen]

2) So paradox es klingen mag, aber Schlafentzug wird (oft sehr erfolgreich) als Therapie bei Depression (bzw. psychiatrisch korrekt: "depressiven Episoden") eingesetzt. Die stimmungsaufhellende Wirkung hält zwar nicht ewig an, aber reicht dann doch mehrere Tage. Und in Kombi mit Medikamenten und einer anständigen Therapie und als eine Art "Arschtritt" hat es doch oft genug guten Erfolg.
Auch hier zum Nachlesen: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12531127
[woher ich das weiß: Psychiatrie-Vorlesungen, freiwillig gelesene Psych-Lehrbücher, Eigenerfahrung aus Nachtdiensten :) ]

Dienstag, 9. Juli 2013

Studiums-Kram. Oder: ich versinke in organisatorischen Aufgaben

Ich habe den Sinn und Zweck von medizinischen Doktorarbeiten durchschaut. Es soll nicht die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten und/oder Schreiben erlernt und bewiesen werden. Es werden einzig und allein Leidensfähigkeit, Stressresistenz und Durchhaltevermögen geprüft und trainiert.

Und ich schätze es als realistisch an, dass ich mein Studium im allerletzten Jahr in den Sand setzen werde. Nicht, weil ich durch irgendeine wichtige Prüfung durchfalle, sondern weil ich eine organisatorische Kleinigkeit oder irgendeine Frist verpeilen werde.
Das Praktische Jahr fängt im Mai 2014 an. Anmeldefrist endet Anfang Oktober 2013. Super, und ich dachte, ich hätte massig Zeit...

Ich glaube, hätte eine Komillitonin/Freundin mir nicht vorgeschlagen, dass wir uns heute Mittag mit den Laptops hinpflanzen und nicht aufstehen, ehe wir unsere Bewerbungen herausgehauen haben, würde ich immernoch Panik schieben, ohne etwas Sinnvolles zu tun. Wunderbar, wenn man Selbstdisziplin externalisieren kann.
Heute dann fröhliche 6 Bewerbungen an britische Kliniken wegen Chirurgie herausgehauen. Und eine an Mannheim wegen Kinder-/Jugendpsychiatrie.

Montag, 1. Juli 2013

Perlen der Weisheit

In den letzten zwei Nachtdiensten habe ich viel gelernt.
Und möchte meine neue gefundene Weisheit nun mit euch teilen.

  • Tiere sind gefährlich. Sehr. Es lagen zwei Patienten nach einem Arbeitsunfall auf Station. Die eine wurde von einem Schaf umgerannt. Dem anderen hat ein Ochse ins Gesicht getreten. Beide mit heftiger Jochbein-Fraktur.
  • Wenn ihr im Krankenhaus liegt, seid nett zu Pflegekräften auf Station. Wir haben sonst unsere Methoden, uns zu rächen. Nein, keine Gewalt, keine fiesen Medikamente. Wir sind da viel subtiler. Wir sorgen dann dafür, dass die nervigsten neuaufgenommenen Patienten unbedingt zu euch als Zimmernachbarn kommen.
  • Bei Nasenbluten kommt Blut aus der Nase. Bei starkem Nasenbluten kommt auch noch Blut aus dem Mund. Und bei monströsem Nasenbluten kommen dem Patienten auch noch blutige Tränen aus den Augen. 
    • Im Ernst. Ja, ich habe eine junge Frau Blut weinen gesehen. Ja, es war verstörend.
  • Es ist keine gute Idee, der Pflege Schnapspralinen zu schenken. Das vermittelt anderen Patienten einen falschen Eindruck von den Nachtschwestern.
  • Ein Sandwich-Maker verwandelt alles in eine Party. Oder eine Fressorgie. Meistens beides.
  • Auch wenn man es nicht glaubt und die Empirie oft gänzlich widerspricht: es gibt auch schwer und chronisch kranke Patienten, bei denen man im Krankenhaus tatsächlich eine Besserung beobachten kann, statt ihnen nur beim Dahinsiechen zuzusehen. Und es ist erstaunlich, wie gut das tut, so etwas mitzubekommen.
  • Gespräche im Nachtdienst sind... anders. Und man entdeckt bei seinen Kollegen auf einmal überraschenden Tiefgang.