Samstag, 8. Dezember 2012

Meinungen

Ich war eigentlich nie ein Mensch, der zu gesellschaftlichen/politischen Fragestellungen gesat hat: "weiß nicht", höchstens mal im Sinne von "dazu habe ich keine endültige Meinung, ist ein komplexes Thema, bin noch am Nachdenken". Was ich jedoch garantiert nie zu solchen Fragen gesagt hätte, wäre ein "interessiert mich nicht".

Aber meine Meinung zu vielen Punkten hat sich mit der Zeit oft gewandelt.
Manchmal nur ganz leicht, manchmal erheblich und um 180°. Oft war es auch nicht ein einmaliges Ändern der Meinung von A zu B, sondern ein verschlängelter und verknoteter Meinungsfindungsprozess (von A zu B zu C zu A' zurück zu C...).

Und ich stehe dazu, dass ich in vielen Fragestellung früher ganz anderes gedacht habe, als ich es jetzt tue. Um mal auf die letzten 4 Jahre (also schon die Zeit nach meinem Abi) zurückzublicken, vor 4 Jahren (nur so als kleine Auswahl):
  • fand ich wirtschaftsliberale Ansätze gar nicht so verkehrt und glaubte fest an die Fähigkeit von Märkten, sich ganz alleine und selbst zu regulieren
  • war ich völlig pro-Atomkraft (weil ich die Endlager-Problematik für überbewertet hielt)
  • konnte ich mit Feminismus so rein gar nix anfangen und kokettierte mit einer gezielt anti-feministischen bis maskulinistischen Position
Inzwischen bin ich zwar kein Verfechter der Planwirtschaft, halte es aber in bestimmten Bereichen durchaus für sinnvoll, wenn der Staat ins Wirtschaftsgeschehen eingreift (im Sinne einer (stark) sozialen Marktwirtschaft), finde es gut, dass in Deutschland der Ausstieg aus der Atomkraft stattfindet und sehe mich zwar nicht als Feministin im Alice-Schwarzer-Sinne, finde aber, dass Sexismus und mangelnde Gleichstellung immer noch ein sehr relevantes Problem in unserer Gesellschaft ist.

Über meine Positionen von vor 4 Jahren kann ich inzwischen eigentlich nur noch den Kopf schütteln. Aber ich stehe dazu, dass ich früher so gedacht habe.

Eine Meinung entwickelt man, weil man bestimmte Argumente für diese und gegen die Gegenposition hört, weil man anhand bestimmter Erfahrungen/Beobachtungen und eigener Überlegungen auch bestimmte Werte hat, die man durch seine Ansichten vertreten möchte. Dann hört man aber neue Argumente oder macht weitere Erfahrungen und/oder Beobachtungen. Und wägt neu ab und revidiert auch mal seine Meinung.

Also und wieso laber ich hier jetzt eigentlich diesen langen egozentrischen Text zusammen?
Weil aktuell in Debatten (sowohl auf privater Ebene, als auch in der politischen Öffentlichkeit) Menschen, die ihre Meinung bezüglicher einer wichtigen Fragestellung ändern, ausgelacht bis auseinander genommen werden. Ihnen wird Impulsivität, Wankelmütigkeit, fehlende Berechenbarkeit, Opportunismus usw. vorgeworfen. Dabei seh ich es einfach nur ein Zeichen von a) Ehrlichkeit und b) der Fähigkeit zu Reflexion, eine Meinung auch zu revidieren.

Es ist für einen selbst persönlich auch IMHO ein herber Beigeschmack, sich vor Augen zu führen, dass man in 4 oder 10 oder 30 Jahren vielleicht bestimmte Sachen, Sachen von denen man jetzt gänzlich überzeugt ist, anders sehen wird. Aber das liegt in der Zukunft und muss sich noch zeigen. Und ist in meinen Augen auch kein Grund, den jetzigen Überzeugungen mit einer prophylaktischen Skepsis entgegenzutreten.

Um jetzt meine Überlegungen also ganz pathetisch mit einem Aufruf zu beenden:
 a) traut euch, eine Meinung zu entwickeln, Position zu beziehen und für das, woran ihr glaubt, auch einzutreten, aber...
 b) behaltet die Ohren für neue Argumente und die Augen für neue Beobachtungen offen und meißelt eure aktuelle Meinung nicht in Stein.

(Und jetzt schäme ich mich, so viel Pathos aufgefahren zu haben und geh und verstecke mich in einer Ecke...)

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