Mittwoch, 9. April 2014

Dann mal... Pseudoliterarische Gehversuche

Es fing an mit einer Idee an, die ich eigentlich auch in einen einzelnen Satz hätte packen können.

"Ich gehe gerade vor die Hunde; würden jetzt nicht selbst die Hunde vor mir weglaufen."

Und daraus wurde ein Text:

Stundenstille

Ich treibe ganze Rudel vor mir her. Denn selbst sie rennen vor mir weg, die Hunde, wohl aus Angst ich könnte vor sie gehen. Und ich laufe einfach ziellos weiter auf sie zu, durch alle Fraktalebenen dieser Stadt. Stolper über die Flecken des Sonnenteppichs auf dem Asphalt, über Schatten, die ich einfach nicht schaffe, weit genug weg zu werfen. Pflastersteine dagegen hebe ich behutsam auf und baue dann aus ihnen Gedichte, Verse, in die ich das hineinlegen möchte, was Worte nicht annehmen können. Was ich auf diese Weise erbaue wird erschreckend geradlinig und symmetrisch, wie Reihen aus frisch ausgehobenen Gräbern, Da stört es mich auch nicht, dass ein Kind im bunten Strickpulli auf einem Einrad immer tiefer in die heile Welt hinein strampelnd die ganze Konstruktion wieder einreißt.

Noch liegen mir die frühen Morgenstunden, die ich am Fluss eingesammelt hatte, als beruhigend glatter Kiesel in der Hosentasche. Erst wenn der Momentmottenfraß des Tages diesen Kieselstein zu einem kleinen, spitzen, mich harmlos aber beständig kratzenden Sandkorn heruntergelutscht hat, erst dann werde ich nichts mehr haben, an dem ich mich festhalten kann. Dann hoffe ich, dass wenigstens kein Wind weht und Baumkronen winken lässt, mich in eine asymptotische Weite lockend. Ich höre es schon, das ferne Grollen des nahenden Sommers. Spüre den Pegel der Sehnsucht steigen, mir bis zum Hals stehen. Und weiß, dass ich wieder ertrinken werde, ertrinken im Verlangen nach einem ehrlichen Atemzug.

Und die Stunden tanzen wie gewohnt um mich Ringelrein, spielen Fangen, laufen mir unerwartet vor die Füße. Werden nur dann kurz müde, wenn ich am wachsten bin. Ich sehe ihnen beim Herumtollen zu, renne ihnen aber schon lange nicht hinterher. Ich renne ohnehin schon so viel, der Rhythmus meiner Füße, die im ewigen Wechsel den Boden antippen, ersetzt mir längst den Puls. Abrollen, kleiner Sprung nach vorne – vorne? links? rechts? hinten? - und mit dem anderen Fuß schnell wieder aufkommen, gleich wieder nachprüfen, ob die Welt noch existiert, ob sie mich noch trägt. Denn gibt der Boden mal nach, werde ich untragbar, so fallen auch alle Farben in sich zusammen, wird jedes Geräusch, jeder Laut als Teil einer leblosen Symphonie von einer die Macht erlangt habenden, revanchistischen Harmonik verschlungen.

Dann weiß ich, dass die Scheinwerfer sich auf mich richten, um mich meines Scheins zu berauben, als Verräterin selbst des Verrats zu entlarven. Wohl wissend “the show must go on” fahre ich dann mit dehnbaren Fingern in meinen Brustkorb hinein, wühle in ihm, um dem verehrten Publikum ein warmrotes Spektakel liefern zu können. Am liebsten würde ich in solchen Momenten meine Rippengitter aufklappen können, um die Glut freizulegen und als Kamin zum Daranwärmen anzubieten. Doch alles, was meine Hände dann erbeuten können, sind Zahnräder und Sprungfedern und vor eure Füße fällt mit lächerlichem Klimpern nur ein Häufchen Uhrwerksinnereien. Auf meiner Zunge liegt dann nichts weiter als der säuerliche Geschmack der Einsamkeit und das umso mehr, je lauter ich schreie.

In diesen Momenten verstummen sogar die Raben und Krähen, um mir nicht aus Versehen eine wahre Prophezeiung an den Kopf zu krächzen.

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