Es fing an mit einer Idee an, die ich eigentlich auch in einen einzelnen Satz hätte packen können.
"Ich gehe gerade vor die Hunde; würden jetzt nicht selbst die Hunde vor mir weglaufen."
Und daraus wurde ein Text:
"Ich gehe gerade vor die Hunde; würden jetzt nicht selbst die Hunde vor mir weglaufen."
Und daraus wurde ein Text:
Stundenstille
Ich treibe ganze Rudel vor mir her.
Denn selbst sie rennen vor mir weg, die Hunde, wohl aus Angst ich
könnte vor sie gehen. Und ich laufe einfach ziellos weiter auf sie
zu, durch alle Fraktalebenen dieser Stadt. Stolper über die Flecken
des Sonnenteppichs auf dem Asphalt, über Schatten, die ich einfach
nicht schaffe, weit genug weg zu werfen. Pflastersteine dagegen hebe
ich behutsam auf und baue dann aus ihnen Gedichte, Verse, in die ich
das hineinlegen möchte, was Worte nicht annehmen können. Was ich
auf diese Weise erbaue wird erschreckend geradlinig und symmetrisch,
wie Reihen aus frisch ausgehobenen Gräbern, Da stört es mich auch
nicht, dass ein Kind im bunten Strickpulli auf einem Einrad immer
tiefer in die heile Welt hinein strampelnd die ganze Konstruktion
wieder einreißt.
Noch liegen mir die frühen
Morgenstunden, die ich am Fluss eingesammelt hatte, als beruhigend
glatter Kiesel in der Hosentasche. Erst wenn der Momentmottenfraß
des Tages diesen Kieselstein zu einem kleinen, spitzen, mich harmlos
aber beständig kratzenden Sandkorn heruntergelutscht hat, erst dann
werde ich nichts mehr haben, an dem ich mich festhalten kann. Dann
hoffe ich, dass wenigstens kein Wind weht und Baumkronen winken
lässt, mich in eine asymptotische Weite lockend. Ich höre es schon,
das ferne Grollen des nahenden Sommers. Spüre den Pegel der
Sehnsucht steigen, mir bis zum Hals stehen. Und weiß, dass ich
wieder ertrinken werde, ertrinken im Verlangen nach einem ehrlichen
Atemzug.
Und die Stunden tanzen wie gewohnt um
mich Ringelrein, spielen Fangen, laufen mir unerwartet vor die Füße.
Werden nur dann kurz müde, wenn ich am wachsten bin. Ich sehe ihnen
beim Herumtollen zu, renne ihnen aber schon lange nicht hinterher.
Ich renne ohnehin schon so viel, der Rhythmus meiner Füße, die im
ewigen Wechsel den Boden antippen, ersetzt mir längst den Puls.
Abrollen, kleiner Sprung nach vorne – vorne? links? rechts? hinten?
- und mit dem anderen Fuß schnell wieder aufkommen, gleich wieder
nachprüfen, ob die Welt noch existiert, ob sie mich noch trägt.
Denn gibt der Boden mal nach, werde ich untragbar, so fallen auch
alle Farben in sich zusammen, wird jedes Geräusch, jeder Laut als
Teil einer leblosen Symphonie von einer die Macht erlangt habenden,
revanchistischen Harmonik verschlungen.
Dann weiß ich, dass die Scheinwerfer
sich auf mich richten, um mich meines Scheins zu berauben, als
Verräterin selbst des Verrats zu entlarven. Wohl wissend “the show
must go on” fahre ich dann mit dehnbaren Fingern in meinen
Brustkorb hinein, wühle in ihm, um dem verehrten Publikum ein
warmrotes Spektakel liefern zu können. Am liebsten würde ich in
solchen Momenten meine Rippengitter aufklappen können, um die Glut
freizulegen und als Kamin zum Daranwärmen anzubieten. Doch alles,
was meine Hände dann erbeuten können, sind Zahnräder und
Sprungfedern und vor eure Füße fällt mit lächerlichem Klimpern
nur ein Häufchen Uhrwerksinnereien. Auf meiner Zunge liegt dann
nichts weiter als der säuerliche Geschmack der Einsamkeit und das
umso mehr, je lauter ich schreie.
In diesen Momenten verstummen sogar die
Raben und Krähen, um mir nicht aus Versehen eine wahre Prophezeiung
an den Kopf zu krächzen.
Ich danke dir.
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