So, so. Nur 4% aller Deutschen halten Überwachung für ein ernstzunehmendes Problem.
Zeit meine persönliche Ostblock-Story auszupacken.
Meine Väter (leiblich und Stief-/Adoptiv-) und deren Eltern mit reinzuziehen würde den Rahmen eines Blogposts sprengen. Also darf meine Mutter als Beispiel herhalten.
An sich keinerlei dramatische Biographie, ganz im Gegenteil: rein formal keinerlei Kollisionen mit der Staatsmacht. In der Sowjetunion geboren und aufgewachsen. Eltern zwar gebildet, aber nicht der Intelligenzija anzurechnen, sondern trotz Bildung in recht bodenständigen Berufen in Fabriken o.Ä. eingebunden. Keinerlei Versuche aufzubegehren.
Meine Mutter selbst hat Anfang der 80er angefangen zu studieren und den Zerfall der Sowjetunion, also die späten 80er und Anfang der 90er, damit verbracht, für ihre Promotionsarbeit zu recherchieren und meine Wenigkeit auszutragen und aufzupäppeln.
Somit hat sie eine Zeit miterlebt, die nicht nur von der im Westen so bekannten "Perestroika" geprägt war, sondern auch eine, wo "Geschichte der KPdSU", "Theorie des Kommunismus" und "Militärwissenschaften" noch Pflichfächer jedes Studienganges waren. Eine, wo Komillitonen für das Mitnehmen von Mitschriften aus Militärwissenschaftsvorlesungen (um auf die Prüfung lernen zu können) beinahe von der Uni geflogen wären. Eine, wo als die Nachricht von Breschnews Tod eine Dozentin während einer Vorlesung erreichte, diese die Vorlesung abbrach und in Krokodilstränen ausbrach. Eine, wo es in jedem Semester sicher einige KGB-Spitzel gab, die man aber stets nur erahnen und auf gut Glück bei Feiern bewusst nicht einladen konnte.
Die dramatischste Begegnung, das sie mir der Staatsmacht hatte (und von der ich weiß), war mal ein ernstes Gespräch mit "Behördenmitarbeitern", als aufgefallen war, dass sie während eines Auslandssemesters in der DDR an den meisten Wochenenden nicht brav im Studentenwohnheim geblieben ist, sondern auch andere Städte des Landes bereist hat. Ansonsten nicht irgendwie in der politischen Opposition aktiv gewesen o.Ä.
Also keine dramatischen Dissidenten- und Gulag-Berichte, keine Mauerflucht-Erzählungen. Aber dennoch hat es Spuren hinterlassen.
Jetzt (also über 20 Jahre nach Auflösung der Sowjetunion) noch fragt mich meine Mutter bei allem, was ich außerhalb des Studiums mache, ob das denn "ideologisch unverfänglich" für mich sei. Egal, ob es das politische Engagement in einer Partei, die Teilnahme an eine Gegendemo zu einem Nazi-Aufmarsch ist oder auch etwas primär erstmal gänzlich apolitisches, wie die Teilnahme an einem Philosophie-Lesekreis, oder sogar etwas höchst privates, wie eine Psychotherapie, ist - ihre Frage ist immer "Was ist, wenn deine Uni davon erfährt? Drohen dir Konsequenzen? Fliegst du von der Uni oder kriegst du deshalb automatisch Minuspunkte bei allen Dozenten?"
Da verstehe ich es auch deutlich besser, weshalb sie, obwohl sie durchaus eine politische Meinung hat und mit den Zuständen in Russland unter Putin auch alles andere als zufrieden ist, auch nie in Erwägung gezogen hat, aktiv dagegen zu werden.
Angst ist nicht immer existenzielle Panik. Angst kann auch etwas ganz dezentes und alltägliches sein.
Zeit meine persönliche Ostblock-Story auszupacken.
Meine Väter (leiblich und Stief-/Adoptiv-) und deren Eltern mit reinzuziehen würde den Rahmen eines Blogposts sprengen. Also darf meine Mutter als Beispiel herhalten.
An sich keinerlei dramatische Biographie, ganz im Gegenteil: rein formal keinerlei Kollisionen mit der Staatsmacht. In der Sowjetunion geboren und aufgewachsen. Eltern zwar gebildet, aber nicht der Intelligenzija anzurechnen, sondern trotz Bildung in recht bodenständigen Berufen in Fabriken o.Ä. eingebunden. Keinerlei Versuche aufzubegehren.
Meine Mutter selbst hat Anfang der 80er angefangen zu studieren und den Zerfall der Sowjetunion, also die späten 80er und Anfang der 90er, damit verbracht, für ihre Promotionsarbeit zu recherchieren und meine Wenigkeit auszutragen und aufzupäppeln.
Somit hat sie eine Zeit miterlebt, die nicht nur von der im Westen so bekannten "Perestroika" geprägt war, sondern auch eine, wo "Geschichte der KPdSU", "Theorie des Kommunismus" und "Militärwissenschaften" noch Pflichfächer jedes Studienganges waren. Eine, wo Komillitonen für das Mitnehmen von Mitschriften aus Militärwissenschaftsvorlesungen (um auf die Prüfung lernen zu können) beinahe von der Uni geflogen wären. Eine, wo als die Nachricht von Breschnews Tod eine Dozentin während einer Vorlesung erreichte, diese die Vorlesung abbrach und in Krokodilstränen ausbrach. Eine, wo es in jedem Semester sicher einige KGB-Spitzel gab, die man aber stets nur erahnen und auf gut Glück bei Feiern bewusst nicht einladen konnte.
Die dramatischste Begegnung, das sie mir der Staatsmacht hatte (und von der ich weiß), war mal ein ernstes Gespräch mit "Behördenmitarbeitern", als aufgefallen war, dass sie während eines Auslandssemesters in der DDR an den meisten Wochenenden nicht brav im Studentenwohnheim geblieben ist, sondern auch andere Städte des Landes bereist hat. Ansonsten nicht irgendwie in der politischen Opposition aktiv gewesen o.Ä.
Also keine dramatischen Dissidenten- und Gulag-Berichte, keine Mauerflucht-Erzählungen. Aber dennoch hat es Spuren hinterlassen.
Jetzt (also über 20 Jahre nach Auflösung der Sowjetunion) noch fragt mich meine Mutter bei allem, was ich außerhalb des Studiums mache, ob das denn "ideologisch unverfänglich" für mich sei. Egal, ob es das politische Engagement in einer Partei, die Teilnahme an eine Gegendemo zu einem Nazi-Aufmarsch ist oder auch etwas primär erstmal gänzlich apolitisches, wie die Teilnahme an einem Philosophie-Lesekreis, oder sogar etwas höchst privates, wie eine Psychotherapie, ist - ihre Frage ist immer "Was ist, wenn deine Uni davon erfährt? Drohen dir Konsequenzen? Fliegst du von der Uni oder kriegst du deshalb automatisch Minuspunkte bei allen Dozenten?"
Da verstehe ich es auch deutlich besser, weshalb sie, obwohl sie durchaus eine politische Meinung hat und mit den Zuständen in Russland unter Putin auch alles andere als zufrieden ist, auch nie in Erwägung gezogen hat, aktiv dagegen zu werden.
Angst ist nicht immer existenzielle Panik. Angst kann auch etwas ganz dezentes und alltägliches sein.
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