Freitag, 11. Mai 2012

Kriegerin

Manche Filme sind in dem, was sie darstellen, gleichzeitig so unfassbar und so realistisch, dass sie einem fast schon physisch weh tun.
Einer davon ist Kriegerin von David Wnendt.
Es geht um eine junge Frau, die tiefer als tief in der Neonazi-Szene ist. Und zwar nicht die Neonazi-Szene, die mal auf Privatparties Landser hört, stolz darauf ist, NPD zu wählen, und ausländerfeindliche Kommentare macht (wobei ich auch dieses Ausmaß des Neonazitums bei weitem nicht verharmlosen möchte). Sondern das Ausmaß an Rechtsextremismus, wo Menschen Migranten und Andersdenkende zusammenschlagen, Hakenkreuz-, 88- und "14 words"-Tattoos haben und Hitler als Idol sehen.
Und im Verlauf des Films auch darum, wie diese Frau einen Asylbewerber-Jungen kennen lernt, ihn erst hasst und verachtet und dann doch anfängt, ihm gegenüber Empathie und Mitleid zu empfinden. Und darum, wie bestimmte Gewaltausbrüche sie doch dazu bringen, die Gewaltbereitschaft ihrer Szene zu hinterfragen.
Und - was für den Zuschauer fast am quälendsten ist - darum, wie ein 15-jähriges Mädchen langsam in die Szene hineingleitet. Quälend, weil dieser Vorgang Schritt für Schritt dargestellt und ausgeleuchtet wird und man stets ahnt, was als nächstes passieren wird, und doch hofft, dass es anders läuft.

Das Besondere am Film ist, dass man jeder der Figuren jede ihrer Handlungen abnimmt. Der Wandel der Protagonistin von "Nazibraut" (Aufschrift ihres T-Shirts in einer Szene zu Beginn des Films) zur quasi-Aussteigerin erscheint nicht künstlich oder unglaubwürdig. Und - noch eine weitere Quelle der Beklemmung - man kann selbst die von Gewalt und Hass geprägte Einstellung ihrer Nazi-Clique - nicht verstehen, auch nicht nachvollziehen - aber dann doch einer den jeweiligen Menschen und dem System, in dem sie gefangen sind, innewohnenden Logik zuordnen. Weil die Nazis (verstörenderweise) eben als Menschen dargestellt werden, Menschen, die sich freuen, ihren Partner nach räumlicher Trennen wiederzusehen, die trauern, weil der Großvater gestorben ist, die zu Hardcore-Musik (wenn auch rechter) abpogen.

Fazit: ein sehr intelligenter und sensibler Film, der sich dem Thema Neonazis vorsichtig nähert, ohne Pauschalurteile abzugeben, aber auch ohne aus Tätern Opfer zu machen oder die Problematik zu verharmlosen

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