Heute hatten wir eine Vorlesung zum Thema "Unerfüllter Kinderwunsch und seine Therapieoptionen". Dabei hat die Dozentin unter anderem erwähnt, dass Prozeduren der künstlichen Befruchtung ( es gibt nämlich nicht DIE künstliche Befruchtung, sondern mindestens drei große Gruppen von Verfahren, die unter diesem Schlagwort zusammengefasst werden ) von Krankenkassen nur zur Hälfte übernommen werden und auch das nur dann, wenn die Ärzte attestieren können, dass ansonsten alles mögliche probiert wurde (also Hormon-Diagnostik, Zyklusbeobachtung usw.) UND es sich um ein verheiratetes Ehepaar handelt.
Ich (sowie auch einige andere Kommilitonen) haben uns über die Tatsache echauffiert, dass hier verheirateten Ehepaaren deutlich der Vorzug gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Paaren in "wilder Ehe" oder aber auch Frauen, die nicht in einer Partnerschaft sind, aber dennoch ein Kind wollen, gegeben wird. Die Empörung habe ich auch auf Twitter anklingen lassen, woraus dann eine Diskussion entstanden ist.
Und zwar darüber, inwiefern es überhaupt gerechtfertig sei, dass gesetzliche Krankenkassen (im Folgenden: GKV) reproduktionsmedizinische Maßnahmen, wie z.B. die künstliche Befruchtung bezahlen. Keine Kinder zu haben, sei ja keine Krankheit.
Und weil es sich in 140 Zeichen schlecht argumentieren und diskutieren lässt, schreibe ich hier mal etwas dazu.
1) Gleich mal zur Klarstellung: ich halte absolut gar nichts von Meinungen, dass es gesund und normal ist, eigene Kinder haben zu wollen, sofern das bedeutet, dass man Menschen/Frauen, die keine Kinder haben wollen als krank/unnormal ansieht. Ich für meinen Teil kann mir auch nicht vorstellen, ernsthaft Kinder zu wollen. Und selbst im Fall, dass ich irgendwann mal Nachwuchs möchte und aber aus irgendwelchen Gründen keinen bekommen kann, würde ich viel eher ein Kind adoptieren. Aber mir liegt es in dem Punkt auch fern, mich als Norm anzusehen (da ich ohnehin ein seltsames Verhältnis zum Konzept von Verwandschaftsbanden habe).
2) Wie dem auch sei, was ich allerdings sehen kann, ist dass es Menschen gibt, für die es sehr wichtig ist, ein Kind/Kinder zu haben. Die dadurch wirklich glücklich und erfüllt werden, sich fortzupflanzen. Und denen auch viel daran liegt, das Kind selbst auszutragen und zu gebären. Und die dementsprechend auch stark darunter leiden, wenn sie nicht schwanger werden können (bzw. wenn sie ihrer Partnerin kein Kind zeugen können). So sehr darunter leiden, dass sie dadurch in Lebenskrisen kommen, Partnerschaften zerbrechen usw. Und in meinen Augen ist Leidensdruck etwas, was auch Anlass zur Behandlung ist.
3) Jetzt könnte man spitzfindig anmerken, dass ja auch das Leiden darunter, dass man kein Rennrad hat, auch ein Leidensdruck ist. Allerdings hat die Tatsache, dass man kein Rennrad hat, meist ökonomische Gründe. Das ist nicht Aufageb der GKV, da zu helfen. Wenn ein Paar keine Kinder bekommen kann, dann hat es medizinische Gründe. Und fällt somit in den Bereich der *Trommelwirbel* Medizin.
Denn, gewiss, keine Kinder zu haben ist keine Krankheit. Aber wenn jemand keine Kinder bekommen kann, obwohl er/sie es Jahre lang versucht, dann liegt diesem sehr wohl eine Krankheit zugrunde (verklebte Eileiter, Hormonstörungen, Eierstock-Deformitäten; Spermien-Bewegungsstörungen).
4) Nun könnte man aber dennoch anmerken, dass Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch an sich dennoch ein reines Luxusproblem haben. Dass sie, wenn sie meinen, dass sie zum Glücklich-Sein ein Kind brauchen, sich die künstliche Befruchtung selbst bezahlen sollen. Weil es Aufgabe der GKV sei, (wirklich schwer) kranke Menschen zu versorgen und nciht die Versicherten glücklich zu machen.
Mit der Argumentation begibt man sich auf sehr dünnes Eis. Denn dann kann man die Übernahme von sehr vielen Leistungen der GKV anfangen in Frage zu stellen.
Eine Frau hat Brustkrebs. Ok, klar, der Tumor wird rausoperiert, die Brust und Lymphknoten werden bestrahlt, das zahlt die GKV. Weil ist ja Heilung einer Krankheit. Aber danach die (teil)amputierte Brust wieder herstellen? Nein, die Frau ist ja auch mit einer Brust ein gesunder Mensch.
Einem Menschen wird nach einem schweren Unfall der Unterschenkel amputiert. Fachgerechte Operation, Versorgung des Wundstumpfes - klar, zahlt die GKV. Aber danach eine gut angepasste Prothese? Nein, wieso auch, der Mensch kann ja auch mit Unterarmstützen (auch als "Krücken" bekannt) laufen.
Natürlich, die Beispiele sind zugespitzt. Und gezielt drastisch, um darzustellen, dass man sehr-sehr vieles, was im Verständnis der meisten zu einer würdigen Krankenversorgung gehört, als Luxus abtun kann.
Letzten Endes ist es ein sehr kompliziertes Thema, was letztlich die GKVs übernehmen sollten und was nicht. Was schon persönliches Glücks-Bestreben ist, was medizinisch notwendig ist und was vielleicht nicht zwingend notwendig ist, aber die Lebensqualität eines Menschen doch immens steigert.
Ich will nicht einmal pauschal sagen, dass ich finde, dass alle künstlichen Befruchtungen zu 100% von den GKVs übernommen werden sollten. Das finde ich nämlich nicht. Aber es sollte mE auch keine reine Selbstzahler-Leistung sein.
Mal wieder etwas, was differenziert betrachtet werden will.
Ach ja, und was ich ursprünglich eigentlich nur sagen wollte ist: es ist ungerecht in dieser Fragestellung Ehepaare zu bevorzugen. Ich dachte nämlich, dass in unserer Gesellschaft inzwischen in den meisten Köpfen angekommen sein sollte, dass das Verheiratet-Sein eines Mannes und einer Frau noch lange keine guten/besseren Eltern aus ihnen macht.
Ich (sowie auch einige andere Kommilitonen) haben uns über die Tatsache echauffiert, dass hier verheirateten Ehepaaren deutlich der Vorzug gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Paaren in "wilder Ehe" oder aber auch Frauen, die nicht in einer Partnerschaft sind, aber dennoch ein Kind wollen, gegeben wird. Die Empörung habe ich auch auf Twitter anklingen lassen, woraus dann eine Diskussion entstanden ist.
Und zwar darüber, inwiefern es überhaupt gerechtfertig sei, dass gesetzliche Krankenkassen (im Folgenden: GKV) reproduktionsmedizinische Maßnahmen, wie z.B. die künstliche Befruchtung bezahlen. Keine Kinder zu haben, sei ja keine Krankheit.
Und weil es sich in 140 Zeichen schlecht argumentieren und diskutieren lässt, schreibe ich hier mal etwas dazu.
1) Gleich mal zur Klarstellung: ich halte absolut gar nichts von Meinungen, dass es gesund und normal ist, eigene Kinder haben zu wollen, sofern das bedeutet, dass man Menschen/Frauen, die keine Kinder haben wollen als krank/unnormal ansieht. Ich für meinen Teil kann mir auch nicht vorstellen, ernsthaft Kinder zu wollen. Und selbst im Fall, dass ich irgendwann mal Nachwuchs möchte und aber aus irgendwelchen Gründen keinen bekommen kann, würde ich viel eher ein Kind adoptieren. Aber mir liegt es in dem Punkt auch fern, mich als Norm anzusehen (da ich ohnehin ein seltsames Verhältnis zum Konzept von Verwandschaftsbanden habe).
2) Wie dem auch sei, was ich allerdings sehen kann, ist dass es Menschen gibt, für die es sehr wichtig ist, ein Kind/Kinder zu haben. Die dadurch wirklich glücklich und erfüllt werden, sich fortzupflanzen. Und denen auch viel daran liegt, das Kind selbst auszutragen und zu gebären. Und die dementsprechend auch stark darunter leiden, wenn sie nicht schwanger werden können (bzw. wenn sie ihrer Partnerin kein Kind zeugen können). So sehr darunter leiden, dass sie dadurch in Lebenskrisen kommen, Partnerschaften zerbrechen usw. Und in meinen Augen ist Leidensdruck etwas, was auch Anlass zur Behandlung ist.
3) Jetzt könnte man spitzfindig anmerken, dass ja auch das Leiden darunter, dass man kein Rennrad hat, auch ein Leidensdruck ist. Allerdings hat die Tatsache, dass man kein Rennrad hat, meist ökonomische Gründe. Das ist nicht Aufageb der GKV, da zu helfen. Wenn ein Paar keine Kinder bekommen kann, dann hat es medizinische Gründe. Und fällt somit in den Bereich der *Trommelwirbel* Medizin.
Denn, gewiss, keine Kinder zu haben ist keine Krankheit. Aber wenn jemand keine Kinder bekommen kann, obwohl er/sie es Jahre lang versucht, dann liegt diesem sehr wohl eine Krankheit zugrunde (verklebte Eileiter, Hormonstörungen, Eierstock-Deformitäten; Spermien-Bewegungsstörungen).
4) Nun könnte man aber dennoch anmerken, dass Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch an sich dennoch ein reines Luxusproblem haben. Dass sie, wenn sie meinen, dass sie zum Glücklich-Sein ein Kind brauchen, sich die künstliche Befruchtung selbst bezahlen sollen. Weil es Aufgabe der GKV sei, (wirklich schwer) kranke Menschen zu versorgen und nciht die Versicherten glücklich zu machen.
Mit der Argumentation begibt man sich auf sehr dünnes Eis. Denn dann kann man die Übernahme von sehr vielen Leistungen der GKV anfangen in Frage zu stellen.
Eine Frau hat Brustkrebs. Ok, klar, der Tumor wird rausoperiert, die Brust und Lymphknoten werden bestrahlt, das zahlt die GKV. Weil ist ja Heilung einer Krankheit. Aber danach die (teil)amputierte Brust wieder herstellen? Nein, die Frau ist ja auch mit einer Brust ein gesunder Mensch.
Einem Menschen wird nach einem schweren Unfall der Unterschenkel amputiert. Fachgerechte Operation, Versorgung des Wundstumpfes - klar, zahlt die GKV. Aber danach eine gut angepasste Prothese? Nein, wieso auch, der Mensch kann ja auch mit Unterarmstützen (auch als "Krücken" bekannt) laufen.
Natürlich, die Beispiele sind zugespitzt. Und gezielt drastisch, um darzustellen, dass man sehr-sehr vieles, was im Verständnis der meisten zu einer würdigen Krankenversorgung gehört, als Luxus abtun kann.
Letzten Endes ist es ein sehr kompliziertes Thema, was letztlich die GKVs übernehmen sollten und was nicht. Was schon persönliches Glücks-Bestreben ist, was medizinisch notwendig ist und was vielleicht nicht zwingend notwendig ist, aber die Lebensqualität eines Menschen doch immens steigert.
Ich will nicht einmal pauschal sagen, dass ich finde, dass alle künstlichen Befruchtungen zu 100% von den GKVs übernommen werden sollten. Das finde ich nämlich nicht. Aber es sollte mE auch keine reine Selbstzahler-Leistung sein.
Mal wieder etwas, was differenziert betrachtet werden will.
Ach ja, und was ich ursprünglich eigentlich nur sagen wollte ist: es ist ungerecht in dieser Fragestellung Ehepaare zu bevorzugen. Ich dachte nämlich, dass in unserer Gesellschaft inzwischen in den meisten Köpfen angekommen sein sollte, dass das Verheiratet-Sein eines Mannes und einer Frau noch lange keine guten/besseren Eltern aus ihnen macht.
Vielen Dank für deinen Blogbeitrag. Er deckt sich ziemlich genau mit dem, was in meiner Birne herumwabert.
AntwortenLöschenDein Fazit ist hervorzuheben:
"Ach ja, und was ich ursprünglich eigentlich nur sagen wollte ist: es ist ungerecht in dieser Fragestellung Ehepaare zu bevorzugen. Ich dachte nämlich, dass in unserer Gesellschaft inzwischen in den meisten Köpfen angekommen sein sollte, dass das Verheiratet-Sein eines Mannes und einer Frau noch lange keine guten/besseren Eltern aus ihnen macht."