Dienstag, 11. Februar 2014

Rechte Tendenzen - ein Problem der bildungsfernen Schichten?

Es gibt da eine Aussage, die eins im Diskurs über rechte Tendenzen (allen voran über Rassismus, aber auch in Bezug auf Homophobie, Sexismus, Ableismus usw.) in Deutschland (und soweit ich's mitbekommen habe auch in anderen Ländern der "westlichen Welt") hört. Manchmal wird sie explizit so formuliert, oft ist sie "nur" implizit in Argumenten oder auch der Berichterstattung enthalten. Aber das macht sie nicht weniger präsent im Bewusstsein der Diskursteilnehmer_innen.

"Ja, es gibt Menschen, die rassistische (homophobe/sexistische/ableistische...) Einstellungen haben, aber das ist nur ein Problem der bildungsfernen Schichten."
Und mit dieser Aussage habe ich ein großes Problem. Und das gleich aus mehreren Gründen, die sich grob in zwei Gruppen unterteilen lassen:

1) Sie verschleiert die Tatsache, dass Rassismus, Homophobie, Sexismus, Ableismus (you name it) auch im Bildungsbürgertum sehr präsent sind und ein großes Problem darstellen.
  • siehe - die Anzahl der Akademiker_innen unter den Mitgliedern und Sympathisant_innen von eindeutig rechtspopulistischen Parteien wie der "Alternative für Deutschland"
  • siehe - der Applaus, den Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" auch aus bildungsnahen Kreisen erfahren hat
  • siehe - die Unterzeichner_innen von IDPET, einer überwältigend homophoben Petition, die Themen wie Homo- und Transsexualität aus Lehrplänen verbannen möchte und mit Argumenten arbeitet, wie dass es unter Homosexuellen deutlich höhere Drogenabhängigkeits- und Suizidraten gäbe (Na wieso wohl? Also mit der Diskriminiereung, die diese Menschen im Alltag erfahren müssen, hat das ja sicher nichts zu tun...). Ja, unter diesen Unterzeichner_innen gibt es auch Dozent_innen von Eliteuniversitäten
  • siehe - sexistische Sprüche an der Uni, selbst von Dozent_innen. (Wie der eine Dozent in meinem Studium, der einer Studentin, die in einer mündlichen Prüfung einen Total-Blackout hatte, sinngemäß sagte "Naja, Sie müssen ja später eh nur wissen, wo die Knöpfe am Herd sind.")
Dies soll vorerst an Beispielen reichen, die Liste lässt sich jedoch beliebig weiterführen, but I think I have made my point.

2) Sie ist unheimlich elitär. Da sie impliziert, dass das Problem ja "nicht so schlimm" sei, weil es ja eben "nur" ein Problem der bildungsfernen Schichten sei. Und das:
  • degradiert Menschen mit weniger (schulischer) Bildung indirekt zu Menschen zweiter Klasse
  • verzerrt die Realität, indem es suggeriert, dass Nicht-Akademiker_innen eine Minderheit seien. Dabei gilt genau das Gegenteil, 26% der Menschen in Deutschland haben eine Hochschulreife, damit bilden 74% dann doch recht eindeutig die Gruppe der Nicht-Akademiker_innen (ich verzichte hier auf Reflexionen der Akademiker-Begriffs, ok?)
  • ist eine unheimlich arrogante Haltung, da damit auch ein Erklärungsansatz der Entstehung von Rassismus (oder anderen rechten Einstellungen) einhergeht. "Naja, 'die' (da unten) können ja nicht anders, sie haben eben nicht ausreichend Bildung genossen." Der ich klar widersprechen möchte: kein Abitur zu haben, entbindet eins zwar davon, eine komplexe Funktionsanalyse durchführen zu können oder zwei Fremdsprachen zu beherrschen, aber nicht davon, sich selbst eine politisch-gesellschaftliche Meinung zu bilden oder nach ethischen Prinzipien (wie der Universalität der Menschenwürde) zu handeln
    • damit möchte ich jedoch nicht leugnen, dass politische Bildung je nach Schulzweig doch sehr ungleich verteilt ist und Projekte zur Förderung von politischer Bildung gerade an Förder-, Haupt- und Realschulen wichtig sind
  • spielt die Bedrohung, die von rechten Tendenzen ausgeht, zu Unrecht herunter. So als könnten Menschen mit weniger Bildung keine wirkliche Gefahr darstellen, egal wie menschenverachtend ihre Meinungen sind.
    • Aber, selbst wenn es nur die 10% mit dem geringsten Bildungsstand wären, die (z.B.) rassistische Einstellungen hätten, selbst dann gäbe es trotzdem ein fettes Problem mit Rassismus. Denn auch diese 10% können ihr Kreuz bei NPD, DVU, REP und co. machen. Denn, um Flüchtlingsheime in Brand zu setzen, um Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer diskriminierten Gruppe zusammenzuschlagen - dazu bedarf es keines 10%-Anteils an der Bevölkerung, dafür reichen einige wenige rechte Dumpfbacken aus. Egal, ob sie nun Abitur haben oder nicht.

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