Samstag, 21. April 2012

Slam-Texte

Hier die beiden Texte, die ich in Hof geslammt habe. Für die, die es interessiert: das ist in etwa mein aktueller Schreibstil (beide Texte sind jünger als ein Monat).

Hier sitzen wir,
schauen mit ernstem Gelächter
und fröhlichen Mienen
über alle Dächer
hinweg,
selbst über die
weit über dem eigenen Kopf,
packen die flüchtige
Wirklichkeit beim Schopf,
ziehen kurz daran und
rennen kichernd fort
und fragen uns bei
jedem Ort,
wo wir nie waren,
zum wievielten Mal
wir ihn sehen.
Diskutieren mit Menschen,
die wir verständnislos verstehen,
ohne zu wissen,
dass es sie wirklich gibt.
Brechen uns das Genick,
wenn wir – hoffnungslos verliebt -
durch Wortgestrüppe
sprachlich stolpern,
um die verehrten Gedanken-
welten zu beäugen.
Sind unsichtbare
Zeitzeugen,
in Epochen, die uns
noch nicht kennen.
Balancieren auf
Drahtseilen, die wir dann verbrennen,
um lachend freifüßig von Klippe
zu Klippe zu springen.
Kommen an Weggabelungen,
an denen wir mit uns ringen,
um uns dann doch im Kreis zu drehen.
Lassen stumme
Stunden vergehen,
in denen wir im
lautlosen Takt aller
Ampelschaltungen nicken,
lassen in den Werkhallen unseres Geists
Zeitmaschinen das
Licht der Welt erblicken,
die beim ersten Lichtstrahl
wieder in Ideen zerfallen
und doch ewig sind,
weil sie in allen
Momenten gleichzeitig
entstehen und entstanden
sind, sein werden -
man muss sich nicht
entscheiden -
weil uns beiden
die Zeit gerade gleich ist.
Gleichgültig jagen
wir Momenten hinterher,
bis wir nach Tagen
die Uhr gefangennehmen
und sie fragen,
wie sie den Anfangs-
und den Endpunkt unterscheidet,
wieso sie sich so gut tarnt
und verkleidet,
um uns immer zu verfolgen,
wohin sie geht
(wenn sie denn geht)
und wohin die Zeit vergeht,
wenn wir dann keine haben.

Reißen die Einwände
der reinen Vernunft ein
und erklären das Leben
zur süßesten Pein;
Schweigen und erheben
die Frage nach
dem Sinn der Kunst
zum größten Kunstwerk
in einem Scherbenzweifel-
trümmerberg.
Berauschen
uns, bis wir geradeaus
denken können,
und tauschen
die Hürden im Logiklauf
gegen Sprungschanzen
eines Weitträum-Wettbewerbs,
und fliegen weiter.
Spielen auf leeren Seiten
geistige Gitarrensoli
vergessener Lieder,
blicken uns um und
suchen immer wieder
Trugbilder am Horizont,
zu denen wir beten,
wie Gott zu einem Kind,
und hoffen, dass sie
wirklich eine Fata morgana sind.

Stützen uns gegenseitig
durch den Schwindel
unserer Wortwechselbäder
und wenn uns
das Später
an der Hand nimmt
und außeinanderführt,
sagen wir nur ungerührt,
während sich Laternenstrahlen
in Erinnerungsspiegeln brechen:
“Einsamkeit ist wohl
das größte Verbrechen.”

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Klänge zerreißen
die Stille
und beißen
sich fest
am nächsten Klang,
bilden Wörter
und Gesang,
formen irre
Melodien,
die gleich ins
Vergangene fliehen,
um die Zukunft einzuläuten,
wo du sitzst,
frisch nach dem Häuten,
wo du kauerst,
wehrlos, nackt,
die Realität
in Begriffe zerhackst,
wo beim Begreifen
dir die Hände zittern,
weil deine Fingerkuppen
stets die Lüge wittern,
während du dem Schnurren
deines Herzschlags lauschst
und Hoffnungen gegen
Erinnerungen tauschst;

wo du bei deiner Suche
nach dem Neuen und dem Frischen,
bei Versuchen die alten
Spuren zu verwischen,
zusiehst wie die Welt
Bekanntes in neue
Gewänder hüllt
und damit ihr
Versprechen erfüllt,
das niemals ausgesprochen,
doch das keiner je vergisst,
nämlich: dass die Welt
immer so bleibt wie sie ist.

Streif' sie ruhig ab
all' deine Hüllen,
versuch' dir die Seele
aus dem Leib zu brüllen,
suche jemanden,
der leise zu dir spricht,
die Wahrheit bleibt -
dir selbst entkommst du nicht.
An den Sessel gefesselt
im Kopfkino deines Seins,
auch wenn du alles hörst und siehst,
dich mit der Welt vereinst,
bleibt alles, was du wahrnimmst,
wenn du denkst, dass du
nach draußen schaust,
nur Bilder, Projektionen
auf die immer gleiche Netzhaut,
bleiben alle Gespräche,
die du führst,
mit dir selbst,
weil du das dir Gesagte
doch nur mit dem Licht
des eigenen Geists erhellst,
weil du das grad Gehörte
nur in deinem Kopf verstehen kannst
und der Resonanzkörper der Melodie,
zu der du langsam weitertanzst,
doch stets dein eigener Schädel ist.
Also schwärm ruhig aus,
weil du Abwechslung vermisst,
tausche Orte, Menschen, Namen,
wir vergessen es doch nie,
woher wir kamen
und wer wir sind -
also wohin wollen wir gehen?
in dieser warmschwarzen Nacht,
vollkommen blind,

wohin können wir gehen wollen?
in dieser Welt, wo jeder
Wille als verschollen
gilt und es auch bleiben wird.
Ich glaube, wir haben
uns auch ohne Ziel verirrt.
Ich spür' nicht dich,
ich fühle Wärme auf meiner
eigenen Haut,
die mir schon längst
langweilig-vertraut
ist. Wie es scheint,
ist alles, was uns beide,
uns alle vereint,
unser Inseldasein
und das tosende Meer,
das uns Klänge bringt,
wenn einer von uns
in der Einsamkeit singt.

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