Dienstag, 26. Juni 2012

Zusammen alt werden

Eine sehr beliebte romantische Vorstellung ist die des gemeinsamen Alterns eines Paares.
Es ist auch in meinen Augen ein durchaus schönes Konzept - schließlich ist es etwas sehr Wertvolles, wenn man einen Menschen, obwohl man ihn schon Jahre bis Jahrzehnte kennt, immer noch ausstehen kann, geschweige denn, wenn man immer noch eine Zuneigung für ihn emfpindet. Und gemeinsame Erfahrungen, die zwei Menschen gesammelt haben, können ihre Beziehung auch durchaus bereichern.
Das alles streite ich gar nicht ab.
Allerdings glaube ich, dass sehr viele Menschen einen sehr verklärten Blick auf den Lebensetwurf "zusammen alt werden" haben.

Das wird einem ziemlich schnell klar, wenn man im medizinischen Bereich tätig ist.
  1. Der körperliche Aspekt. Und damit meine ich nicht solche niedlichen ästhetischen Ärgernisse, wie Krampfadern, nicht mehr so elastisches Bindegewebe (oder bildlicher gesprochen: schwabbelige Hautfalten), ausfallende oder ergrauende Haare, Gewichtszunahme, Altersflecken... Ich meine auch nicht die erektile Dysfunktion, deren Kelch wohl an keinem alten Mann vorübergeht, oder die Abnahme der Libido. Ich meine solche Sachen wie Inkontinenz. Offene Beine. Künstliche Darmausgänge. Die Unfähigkeit, sich selbstständig zu duschen. Bettlägrigkeit.
  2. Der psychische Aspekt. Im hohen Altern treten psychische Veränderungen ein. Die Abnahme der fluiden Intelligenz und daraus resultierend das klassische "in alten Mustern festgefahren sein". In einer Beziehung, wo die Strukturen ohnehin Jahrzehnte Zeit hatten, sich zu zementieren, und wo beide Teilnehmer nun auch immer weniger flexibel werden, potenziert sich dieses Phänomen entsprechend. Und dadurch bilden sich - in meinen Augen wahrlich gruselig - starre Rollen aus. Wenn alte Ehepaare beim Arzt sind, kommt es oft vor, dass ein Partner die Beschwerden des anderen vorträgt. Der eigentlich Erkrankte schweigt dann währenddessen oder meldet sich zögerlich zu Wort, um die Beschreibung seiner Symptome zu präzisieren, wird dann aber meistens von seinem Partner schroff unterbrochen. Das ganze wirkt dann schon sehr stark nach Tierarzt-Sprechstunde. "Mein Waldi musste sich gestern zweimal übergeben. Dabei hat er vorgestern noch so toll gefressen. Still, Waldi, jetzt nicht! Mach Platz!"
 Immer noch so romantisch?

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