Sonntag, 11. März 2012

Vorurteile und dichotomes Denken

Gestern gab es in Sinsheim eine NPD-Kundgebung. Eine, wo Holger Apfel geredet... eine Rede halten wollte.
Natürlich gab es auch eine Gegendemo. Dementsprechend war auch ich gestern mit T. und H. (will ja keinen zwangs-outen) in Sinsheim.
Ich erspar den Lesern jetzt epische Berichte des verwirrten Herumlaufens in Sinsheim (da am Bahnhof und in der Innenstadt zwar reichlich andere Gegendemonstranten waren, jedoch keiner wusste, wo es wirklich hingehen sollte), eine Aufzählung der diversen Sprechchöre und sonstigen Lärmerzeugungsmethoden, mit denen alle Redebeiträge der Nazi übertönt wurden (nur als Anmerkung: es hat in der Tat dafür gereicht, dass man so gut wie gar nichts von den Reden hören konnte) oder eine detaillierte Analyse des Vorgehens der Polizei (die bis auf ein-zwei Festnahmen, die IMHO nicht hätten sein müssen, eigentlich sehr zuvorkommend war).

Aber zwei Sachen möchte ich dann doch noch loswerden.

Erstens: die Teilnehmer der rechten Kundgebung entsprachen ja wirklich allen gängigen Klischees. Ich war sehr überrascht, dass eben tatsächlich mehr als die Hälfte der Männer eine bonehead-Glatze trugen, in Thor Steinar-Sachen rumliefen, bärtige Kettenraucher waren und von ihrer Statur aus eher zum Weglaufen, denn zum sich-Prügeln einluden (und das vor allem dadurch, dass man beim Weglaufen wirklich gute Chancen hätte). Mit anderen Worten: die Gruppe entsprach zu großen Teilen dem gängigen Bild einer Dorfschläger-Truppe. Und sie verhielten sich auch so: pöbelten aktiv die Gegendemonstranten an, bezeichneten sie als Abschaum, fanden es lustig, durch die Polizeiabsperrung zu preschen und sich in die Antifa-Reihen zu werfen usw.
Die wenigen Frauen, die dabei waren, präsentierten sich größtenteils eindeutig als Freundin einer der Männer dort und hatten alle bis auf eine blond gefärbtes Haar. Und die Organisatoren/hohen Tiere - wer hätte das gedacht - liefen in Anzug oder Pullunder/Hemd-Kombi rum, hatten geleckte Scheitelfrisuren und hielten sich sehr im Hintergrund.
Werte Nazis, ich mag es nicht Vorurteile zu haben - wieso macht ihr es mir dann so leicht?

Zweitens: wir stehen mit ein paar Leuten von der Links-Jugend am Bahnhof und reden. An uns vorbei läuft ein Mutter mit einer ca. 5-jährigen Tochter. Das Kind fragt, was denn heute in der Stadt los sei. Die Mutter: "Naja, die einen sind gegen Ausländer. Und die anderen, die da (zeigt auf uns) sind für Ausländer..." Eine interessante Auslegung des Konzepts von Antifaschismus.
Aber ich fand es eh faszinierend, wie schnell man als Teilnehmer einer "Gegen Nazis"-Demo in eine Schublade gesteckt wurde. Auch die Polizei sprach mehrmals bei ihren Ansprachen von "Kundgebung rechts" und "Kundgebung links" (ich war versucht ein ""ich will meine Kundgebung aber mit Majo" zu rufen). Dabei ist es schwer, sich eine bunter gemischte Menge vorzustellen als die Gegendemo. Alle Alterstufen zwischen 12 und 80, bei den Jugendlichen auch alle Subkulturen vertreten, diverse Demo-Typologien (von der Sozialpädagogin mit Akustik-Gitarre zu den autonomen Jugendlichen), an Parteien fahnentechnisch repräsentiert: SPD, LINKE, Grünen, Piraten (teilweise auch mit der jeweiligen Jugendorganisation). An der Orga der Demo waren auch die Christlichen Pfadfinder beteiligt. Sind sie etwas auch gleich "links"?
Schwarz-weiß-Denken ist so schön einfach... Und so schön realitätsfern.

2 Kommentare:

  1. Manchmal frage ich mich ob nicht jedes Denken letztlich dichotom ist und letztlich nur durch Abgrenzung lebt und funktioniert. Es letztlich nur zwei Prinzipien gibt: Inklusion und Exklusion und sie sich immer wechselseitig bedingen, ganz nach Luhmann "Jede Inklusion ist zugleich eine Exklusion." In deinem hier angeführten Beispiel ist es eben das politische Spektrum von Links und Rechts, dass sich sicherlich in der Einteilung graduell darstellen lässt. Doch auch hier ist es eben zunächst der Betrachtungswinkel. Rechts ist die NPD und insofern sind alle anderen Parteien, von KPD bis zur CDU/CSU und FDP davon Links einzuordnen. Übrigens an dieser Stelle nichts was ich schlimm finde, gerade im Falle der NPD finde ich diese Geschlossenheit, dieser als homogen erachtete Block wider der braunen Bande geradezu angenehm. Differenzen zurückstellen for the greater good if you will. Aber ja, du sprichst letztlich von der genaueren Einteilung, dass du nicht als Links erachtet werden willst, sondern als anders, innerhalb deines Spektrums. Hast du somit die Dichotomie überwunden? Wenn jede Einteilung nur ein Abgrenzen ist von anderem, so ist es nur eine Dichotomie der zweiten, dritten und vierten Ebene und alles andere eine Frage der Aufteilung. Hier hätten wir die Unterscheidung von NPD zu allen anderen Parteien. Du zählst zu allen anderen Parteien, begibst dich dann wieder in der Unterscheidung, dass du rechter bist als die Linke, Linker bist als die CDU und so weiter. Ja ich bin mir bewusst, dass ich hierdurch durchaus die Graduierung aufmache und anerkenne, dass es Abstufungen gibt, um was es mir geht ist die Frage ob unsere Wahrnehmung nicht letztlich durchaus derart diametral aufgebaut ist und unsere ganze Kunst darin besteht immer neue Trennungslinien, sowohl auf horizontaler als auch vertikaler Ebene zu ziehen.

    Nur unreflektiertes Zeug, was sich beim schreiben ergoss.

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  2. Mit dem "jedes Denken ist dichotom" hast du wohl recht - will man etwas definieren, muss man es greifbar machen. Und das ist nun einmal durch ein Eingrenzen relativ leicht möglich.
    Aber man darf eben nicht vergessen, dass es mehrere Dimensionen gibt, in denen man die Dichotomie auslegen kann.

    So gesehen habe ich auch gar kein Problem damit als "links" bezeichnet oder eingestuft zu werden. Bloß finde ich, dass die Begriffe "rechts" und "links" (im politischen Kontext) falsch, da schwammig bis nichtssagend, verwendet werden. Ich verstehe die links-rechts Dichotomie primär als eine wirtschaftspolitische Geschichte. Die Kategorien werden aber auch auf die "Freiheit vs. Sicherheit"-Debatte ausgedehnt (wobei die meisten wirtschaftlich linken Regimes extreme Fälle von Überwachungsstaat waren), auf die Einstellung zu Ausländern usw. So wie das Wort "links" heutzutage eingesetzt wird, gab es in der Sowjetunion keine einzige linke Persönlichkeit.

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