Sonntag, 29. Juli 2012

Kommunikationskultur

Ich finde es interessant. Die Konventionen unserer Gesellschaft bzw. - um es mal auf den Teil, wo ich mich am meisten bewege und deshalb am bestens auskenne - meiner Peer-Group (20-30 Jahre alt, akademischer Dunstkreis, tendentiell linksliberal) begünstigen passiv-aggressives Verhalten in Streitigkeiten.

Denn direkt harte und unkonstruktive Kritik üben oder mit Beleidigungen seinem Frust Luft machen, wie man es in erhitzten Diskussionen oder Streitereien auf persönlicher Ebene manchmal gerne tun würde, ist so... brachial und unzivilisiert. Sofort steht man als Neandertaler mit Affektregulationsproblemen da. Weil es unüblich und verpönt ist. Und selbst wenn man gegen die Normen aufbegehren möchte, so merkt man, dass man sie internalisiert hat. Und fühlt sich gänzlich schlecht, wenn man seinem Gesprächspartner ein "Du egoistischer Idiot!" um die Ohren haut.

Natürlich kann man auch ganz ruhig und konstruktiv Kritik am Verhalten des Gegenübers üben. Mit vielen Ich-Botschaften. Aber einerseits hilft das in einer Situation, wo bereits ein Konflikt besteht einem auch nicht weiter. Wenn man gerade Adrenalin-geladen ist, steigt die persönliche Frustration nur noch weiter, wenn man sich zwingt, ganz sachlich zu erklären, wieso einen eine Aussage des anderen stört. Und andererseits steht man damit inzwischen von den sozialen Konventionen her gesehen, auch doof da. Ich-Botschaften, vor allem über das eigene Empfinden, sind so unironisch. Wirken teilweise sogar pathetisch. Zeigen, dass man nicht lässig genug ist, das Gegenüber und seinen sozialen Stil so zu akzeptieren, wie er ist.

Deshalb bleiben einem eigentlich nur passiv-aggressives Verhalten, sei es die Flucht in den Sarkasmus ("Wow, danke, dass du mir so aufmerksam zuhörst...") oder ein kalter Krieg des Schweigens und der zur Schau getragenen Verachtung. Ironisch natürlich.

Und auf Dauer ist so etwas ziemlich anstrengend.
Ich bin auch kein Fan von ungefilterten, rüpelhaften Verhalten und finde, dass man Kritik konstruktiv mitteilen sollte. Auch  bin ich der Ansicht, dass man bei weitem nicht immer und nicht in jedem Kontakt alle Karten auf den Tisch packen sollte, Sachen unausgesprochen lassen, erhöht oft genug die Spannung und den Reiz am Umgang miteinander.
Aber... Aber ich finde, dass man zu einem gewissen Grad auch eine Kultur der Ehrlichkeit braucht. Einerseits, bei aller Ironie auch mal jemandem sagen können, dass man die Person mag und Zeit mit ihr schätzt, ohne als übertrieben anhänglich, sentimental oder von romantischen Absichten getrieben angesehen zu werden. Andererseits aber auch eine Kultur des Streits und auch der Beleidungungen. Eine gewisse grundlegende Verständigung darüber, dass es Situationen gibt, wo man seinen Ärger auch mal rauslassen kann, ohne dass sich der andere gleich gänzlich verletzt fühlt.

So mal mein persönlicher Senf.

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